Kreisgruppe Recklinghausen
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 (I.B.)

Insektensterben

1958 In China sind nach massivem Einsatz von Pestiziden bis heute ganze Landstriche insektenfrei, so dass Menschen seither die Rolle der Insekten, insbesondere der Bienen übernehmen müssen und Obstblüten per Hand bestäuben.
2006 In den USA gibt es  zum ersten Mal große Verluste bei Bienenvölkern, bekannt unter dem Namen "Colony Collapse Disorder", Völkerkollaps. Tausende Arbeiterbienen verlassen ohne ersichtlichen Grund ihren Stock und verenden schließlich geschwächt. Landesweit betrifft der Kollaps mehr als 50 % der Bienenvölker und tritt seitdem immer wieder auf.
2008 Das Insektizid Clothianidin, ein Neonikotinoid, verursacht ein massives Bienensterben in Süddeutschland. Drei der bienengefährlichsten Neonikotinoide werden daraufhin zum Beizen von Saatgut verboten.
2012 Der Weltbiodiversitätsrat IPBES wird gegründet, ein wissenschaftliches, zwischenstaatliches Gremium, das politischen Entscheidungsträgern objektive und zuverlässige Informationen über den Zustand und die Entwicklung der biologischen Vielfalt und ihrer Ökosystemleistungen zur Verfügung stellt. Derzeit sind 124 Staaten Mitglied im IPBES. 2016 gab IPBES den Bericht "Bestäuber, Bestäubung und Nahrungsmittelproduktion" heraus, in dem die "Leistung" der Honig- und Wildbienen, ihre Gefährdung und Maßnahmen zu ihrem Schutz beschrieben und bewertet werden.
2016 Das Ausmaß des Insektensterbens findet öffentliches Interesse, nachdem in einer Studie des Krefelder Entomologischen Vereins nachgewiesen wurde, dass in den letzten 27 Jahren die Masse der Fluginsekten in NRW um mehr als 75 % zurückgegangen ist.

 (I.B.)

Warum  sind Bienen und Wildinsekten so wichtig für uns?

Bienen sind nützlich und genießen unsere Sympathie, Schmetterlinge sind eine Augenweide, wir bedauern ihr Fehlen in unseren Gärten. Vor allem aber die Wildinsekten, auch die Arten, die wir nicht so mögen, sind für unsere Ernährung und unser Wohlbefinden von überragender Bedeutung. Denn dort, wo Honigbienen fehlen oder durch Krankheit ausfallen, sichern Wildinsekten die Bestäubung unserer Nutzpflanzen. Nicht nur ihre Anzahl, auch die Vielfalt der Arten und die Gesundheit der einzelnen Tiere wirken ertragssteigernd. Wildinsekten erreichen mit der gleichen Anzahl von Blütenbesuchen einen doppelt so hohen Fruchtansatz wie Honigbienen.

85 % der über 260 in Europa angebauten Feldfrüchte profitieren von der Bestäubung durch Wildinsekten. Auch der Ertrag vieler Importprodukte wie Nüsse, Kaffee und Kakao ist von ihnen abhängig. Die vielen Wildbienenarten, Hummeln, Hornissen, Schmetterlinge, Käfer etc. sind daher "unverzichtbare Helfer für die weltweite Ernährungssicherheit und stabile Ökosysteme" (IPBES).
Ernährungssicherheit ist also langfristig nur durch Erhalt und Förderung der Biodiversität, d.h. Vielfalt in genetischer Hinsicht, Artenvielfalt und Vielfalt der Ökosysteme zu erreichen.
Der massive Rückgang der Insektenarten hat auch sichtbare ökonomische Folgen: seit 2001 steigen die Produktionskosten von bestäuberabhängigen Früchten deutlich, was sich auch auf uns Verbraucher auswirken kann.
In unserer Welt ist ja der Profit von überragender Bedeutung und so gibt es Berechnungen, die den Marktwert der Insektenbestäubung global auf 200-500 Milliarden Euro pro Jahr beziffern.
Angesichts der Tatsache, dass die grundlegenden ökologischen Beziehungen kaum erforscht sind, ist davon auszugehen, dass der tatsächliche wirtschaftliche Verlust durch die Zerstörung der Ökosysteme weit größer ist, als angenommen. 

Pestizide - ein großes Problem für Insekten

Für das Bienensterben wurde zunächst die Varroamilbe als Hauptverursacher ausgemacht, allerdings werden geschwächte Bienenvölker besonders intensiv befallen. Als Schwächungsgrund kommt vor allen Dingen die industrielle Landwirtschaft mit ihrem enormen Einsatz von Pestiziden in Betracht.

Neben den ca. 270 für den Einsatz in der Landwirtschaft zugelassenen Wirkstoffen sind in letzter Zeit besonders die Neonikotinoide und das Glyphosat in der Kritik.

Neonikotinoide sind Insektizide, die als Beizmittel für Saatgut, z. B. bei Raps, und als Spritzmittel verwendet werden. Untersuchungen zeigen, dass Bienen die so behandelten Pflanzen bevorzugt anfliegen. Dabei wird ihr Immunsystem geschwächt und sie verlieren das Orientierungsvermögen sowie die Fähigkeit zur Fortpflanzung. Neonikotinoide sind gut wasserlöslich und schwer abbaubar. Das bedeutet, dass sie auch das Bodenleben langfristig und nachhaltig mit unbekannten Folgen schädigen können. 
Drei Verbindungen aus der Gruppe der Neonikotinoide wurden von der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) untersucht und als bienengefährlich eingestuft. Ihr Freilandeinsatz wurde von der EU daraufhin 2018 verboten, erlaubt bleibt die Anwendung im Gewächshaus. Alle Pflanzen, die dort gezogen werden, sind nach wie vor belastet. Weitere Neonikotinoide sind noch zugelassen.

Glyphosat ist ein Herbizid, das in vielen Unkrautvernichtungsmitteln wie Roundup oder Unkrautfrei enthalten ist und auch in Privatgärten viel zu häufig verwendet wird.  Auf landwirtschaftlichen Flächen bedeutet sein Einsatz die Vernichtung von Wildkräutern, damit verbunden die Reduzierung der Insekten und den Rückgang der Feldvogelarten Lerche, Kiebitz und Rebhuhn.

Die industrielle Landwirtschaft, die Produktivitätssteigerung durch massiven Einsatz von Pestiziden, Übernutzung und Überdüngung der Böden erreichen will, biologische Vielfalt nicht duldet und als einziges Kriterium den Profit sieht, schädigt auf die Dauer massiv unsere Ökosysteme und damit unsere Lebensgrundlagen.  

Was ist zu tun?

Auf der Grundlage des bisherigen Wissens können unsere Ökosysteme z. B. durch Förderung der ökologischen Landwirtschaft, Verzicht auf Pestizide, Strukturanreicherung der Agrarlandschaft durch Hecken und Baumreihen, blühende Ackerrandstreifen, Reduzierung von Feldgrößen und Vermeidung schädlicher Investitionen, Vernetzung und Vergrößerung des Naturschutzflickenteppichs stabilisiert werden.

Durch die Anlage insektenfreundlicher Gärten und den Kauf regionaler, saisonaler und ökologisch erzeugter Lebensmittel können wir selber  Veränderungen bewirken.

Politiker und Politikerinnen sind aufgefordert, die Konsequenzen aus den IPBES-Informationen zu ziehen und auf europäischer und nationaler Ebene den Weg zur ökologischen Umstrukturierung der Landwirtschaft zu ebnen. Vorreiter auf diesem Wege sind ökologische Landbauverbände wie Bioland und Demeter.  Hier verpflichten sich die Mitglieder, eine gute Bodenqualität zu erhalten und rückstandsfreie Lebensmittel zu produzieren. Es geht also und ökologischer Landbau müsste lediglich stärker gefördert werden!